Alltag auf Sansibar und Pläne für die Zeit danach
- Mambo, wipi?
- Freshi?!
- Freshi!
- Kamakawa!?
- Kamakawa!
So oder ähnlich wird sich auf Sansibar unter jungen Menschen begrüßt. Mambo von mir an alle Lesenden (freshi?). Es ist nun eine Weile her, dass ich mich mit einem Post melde. Mir war einfach nicht danach über das Geschehen zu schreiben, vielmehr wollte ich eintauchen in diese Welt und in das, was sich innerlich bei mir durch die neue Umgebung verändert. Jetzt melde ich mich und jetzt fühlt es sich auch richtig an. Ich befinde mich im Moment in einem Kurzurlaub am Strand von Jambiani, an der Ostküste von Sansibar. Hier finde ich Zeit und Raum, um mit etwas Abstand Gedanken für den Blog zu fassen.
Ja... was ist passiert? Nachdem mein Körper einige Zeit benötigt hat, sich auf das neue zum Teil sehr heiße Wetter einzustellen, komme ich mittlerweile gut zurecht. Einzig die Nächte verlaufen bislang ungewohnt zäh, was wahrscheinlich zum einen an dem fehlenden Ventilator liegt, wenn der Strom mal wieder ausgefallen ist, und zum anderen, dass sich innerlich bei mir einiges zu bewegen scheint. An den Alltag habe ich mich gewöhnt, wobei es noch ungewohnt für mich ist, mit der Lautstärke und Energie umzugehen, die seit Anfang Januar in der Schule herrscht. Denn seit Januar ist die Schule wieder geöffnet. Das Schulgelände ist für die knapp 350 Schüler sehr klein. Zu diesem neuen Schuljahr (das Schuljahr beginnt hier im Januar) wurden wieder neue Schüler:innen aufgenommen, so dass die Schule um weitere Klassenräume erweitert wurde. Beachtlich, in welch kurzer Zeit und unkompliziert die neuen Klassenräume fertiggestellt wurden. Innerhalb weniger Tage waren die Bauvorhaben umgesetzt! (Die Bauarbeiter bekommen ca. 4 Euro am Tag für ihre Arbeit!). Die ersten Schüler:innen kommen morgens um 6:30 und die letzten verlassen die Schule gegen 16 Uhr.
Ich bin weiterhin im Deutsch-Unterricht eingesetzt, der für Freiwillige am Montag, Mittwoch und am Donnerstag Nachmittag stattfindet. Hier hat sich ein Kern von ausschließlich männlichen Lernenden herausgebildet, die sehr ambitioniert dabei sind. Einige Schüler schreiben mir häufig bei WhatsApp, um Verständnisfragen zu klären. Fast alle möchten Deutsch als Fremdsprache können, um die deutsche Sprache für ihren Berufswunsch als Touristenführer einzusetzen. Denn mein Einduck ist, dass Menschen aus Deutschland hier die Touristen-Mehrheit bilden. Im Deutsch-Unterricht ist zwei-geteilt - ein Kurs für die Anfänger und ein Kurs für die Fortgeschrittenen. Im Anfänger-Kurs haben wir viele Unterrichtsstunden damit vebracht, die Uhrzeit zu lernen. Dieses Thema hat die Lernenden vor Herausforderungen gestellt, denn sie mussten zunächst von ihrer Swahili-Zeit in unser Zeitverständnis umdenken und dann die sprachlichen Finessen der deutschen Sprache lernen (z.B. "Fünf nach halb 9"). Um diesen Prozess etwas zu beschleunigen, musste ich auch mal Hausaufgaben aufgeben ;-) Im Fortgeschrittenen Kurs wird stärker das freie Sprechen fokussiert. Beispielsweise haben wir "Wer bin ich?" zum Aufwärmen gespielt (siehe Bild: Muslim mit Jesus auf der Stirn war besonders brisant, haha). Des Weiteren liegt es u.a. in meinem Verantwortungs-Bereich die Finanzen der Organisation zu strukturieren, um Transparenz und eine zuverlässige Kostenplanung zu ermöglichen.
Ja, was ist noch passiert? Achja, es war Weihnachten. Wie meine Erinnerung zeigt, war es in diesem Jahr weniger präsent als an den vorherigen 33 Jahren in Deutschland. Da Sansibar sehr stark muslimisch geprägt ist, war Weihnachten dementsprechend wenig präsent. Zusammen mit den Jungs von der Schule sind wir zu Heiligabend in eine Rooftop-Bar nach Stone Town gefahren. Dort haben wir sehr lecker gegessen, einige Getränke zu uns genommen und eine schöne gemeinsame Zeit miteinander verbracht.
Zu Weihnachten wurden Geschenk-Aktionen an bedürftige Familien unternommen, um im Zeichen der Liebe bedürftige Familien mit Lebensmitteln zu versorgen. Diese und weitere Aktionen lassen sich auf dem Instagram-Kanal von dreams for kids e.V. verfolgen. Fühlt euch eingeladen, dort vorbeizuschauen.
An den letzten zwei Wochenenden habe ich mir eine Auszeit für mich genommen. Mit dem Dalla Dalla bin ich nach Matemwe (Nord-Osten) gefahren, wo ich die Ruhe genossen habe und mit Delphinen geschwommen bin. An diesem Wochenende bin ich nach Jambiani (Ostküste) gefahren, wo ich Kindheitserinnerungen aufleben lassen habe, indem ich die Zeit am und im Pool genossen habe. Ich komme hier häufig in den Konflikt, ob ich mir so etwas gönnnen darf, wenn ich die Armut um mich herum sehe. Ja, ich darf das, denn ich wurde in eine andere Welt hineingeboren und mein Nervensystem ist an andere Umstände gewöhnt. Ich lerne, wie wichtig es ist, sich bei all dem Geben nicht zu vergessen. Nur so geschieht die Hilfe aus dem richtigen inneren Raum: aus ernst gemeinter Liebe und nicht aus irgendeiner Kompensation.
Ein kleiner etwas privater und spiritueller Exkurs: Aktuell beschäftige ich mich mit den vier grenzenlosen Zuständen (sog. brahma-viharas), die der Buddhismus nennt, um aus dem Ego in die Verbundenheit zu gehen und mich liebevoll um meine kritischen, zum Teil selbstverachtenden Stimmen zu kümmern. Wenn wir aufmerksam und ehrlich sind, kennt doch jeder diese Stimme. In der westlichen Welt sind wir jedoch so auf Scham konditioniert, dass wir diese überhaupt nicht mehr wahrnehmen oder aber sie bewusst verleugnen. Der Selbsthass schwelt im Hintergrund und wird somit immer größer. Großzügigkeit spielt eine zentrale Rolle, um Liebe für sich und somit für alle Lebewesen zu entwickeln. Sharon Salzberg, die Autorin des Buches Metta-Meditation, erzählt hier eine Geschichte, wie sie Großzügigkeit in der Praxis übte (Großzügigkeit wird als eine sehr edle Tugend angesehen, die keinen Raum für Leiden lässt). Sie ging durch die Straßen und gab jedem Menschen, egal ob reich oder arm (Gleichmut: einer der vier Zustände), etwas Geld. Diese wunderbare Praxis schafft Freude auf beiden Seiten. So habe auch ich mich auf den Weg gemacht und etwas Geld an die Menschen hier in Jambiani verteilt. Es war eine wunderschöne Erfahrung, denn im Moment des Gebens war nur das Gefühl der Freude da, keine Grenzen, nur Freude, die uns verbindet und zeigt, dass wir mehr sind als unsere engen Selbstbilder. Ein Moment von Wahrheit.
Im Folgenden noch einige Bilder, die ich nicht sinngemäß mit dem, was ich zu sagen habe, verknüpfen konnte, die ich euch aber nicht vorenthalten möchte.
Muhindi, so heißt einer der Schüler, hat mir dieses Trikot geschenkt. Zuvor hat er uns erzählt, wie er für umgerechnet 3 Euro am Tag auf dem Bau gearbeitet hat. Dieses Geschenk hat mich sehr berührt und mich mit Dankbarkeit erfüllt.
Alte und neuere Version eines Dalla Dalla, ein Kleinbus, mit dem hier in der Regel längere Distanzen überbrückt werden.
(Fast) alltägliches Frühstück in der Schule: ein Carpati (eine Art Pfannenkuchen) und zwei Mandazis (mit Kardamom und Zimt gewürztes Fettgebäck)
Strand von Matemwe
Typischer Imbiss mit Hähnchen, Pommes und Salat
Alternative Fortbewegung (aber teurer als Dalla Dalla): Riksha oder Boda Boda (Motorrad)
Typische Situation im Straßenverkehr (kaum Verkehrs-Regeln, keine Ampeln, bislang habe ich erst einen Unfall gesehen!)
Typisch für Sansibar: die unzähligen Verkaufsstände an der Straße
Am Sonntag hatte Silas Geburtstag. Gasica und seine Frau Rayan haben uns und vor allem Silas wunderschön mit einem Ausflug zu einem lokalen Restaurant/Imbiss überrascht. Es waren bestimmt 25 Leute anwesend, die gemeinsam Silas Geburtstag gefeiert und zusammen gegessen haben. Pommes, Salat, Spiegelei und Hähnchen gab es auf großen Metallplatten, von denen (wie üblich) mit Händen gegessen wurde. Auf dem Rückweg wartete eine weitere Überraschung auf Silas und mich: Rayan hatte sich überlegt, uns beide auf einen Eis-Kaffee einzuladen, der in einer Rösterei zubereitet wurde. So lecker! Vielen Dank an Rayan und Gasica für dieses Zeichen der Wertschätzung.
Am vierten Februar endet mein Aufenthalt hier in Sansibar. Für mich geht es dann weiter nach Indien, wo ich eventuell eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer machen möchte, einen Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster, die wunderschöne, vielfältige Natur Indien erwandern möchte und die köstliche indische Küche genießen möchte.
Vielen Dank für dein Interesse. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und hoffe, dass meine Worte dein Interesse wecken konnten.
Tutaonana baadaye! (Bis bald!)
Florian
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